Cybersamurai

unter den blumen, die kirschblüte

Dossier: Die Oase

1.5 IV 2084

Ich habe eine Weile gezögert, dieses Dossier zu schreiben. R’Ugrimm, der die Oase führt, möchte nicht sooo gerne in das Rampenlicht. Aber weil die Zeiten auch für viele von euch oder Metamenschen, die euch was bedeuten schwer sind, auch auf die Oase Hilfe gebrauchen kann, hab ich es doch getan. In Absprache mit R’Ugrimm natürlich.

Weil bei vielen Einrichtungen, die unser geliebgehasster Sprawl hervorgebracht hat, ist auch die Oase nicht einfach in eine Schublade zu stecken: Hausbesetzer.innen, Antifa, Guerilla-Gärtner.innen, Meditationszentrum, Abfall-Entsorgungsunternehmen, Nachbarschaftshilfe, Biokisten-Lieferant. All das ist die Oase und noch mehr.

Von Aussen betrachtet ist die Oase vor allem erstmal beeindruckend. Sie nimmt die oberen drei Stockwerke eines Sozialwohnungsbaus südlich von Downtown ein und man erkennt sie schon von weitem, den über die vollen drei Stockwerk erstreckt sich eine bunte Mischung von Bepflanzung. Im Grund sieht es aus, als hätte jemand ein Stück Dschungel auf ein Wohnblock gesetzt. Und im Grunde ist das auch genau das, was passiert ist, nur eben langsam und phasenweise … und mit etwas magischer Hilfe.

R’Ugrimm, einer der Gründer der Oase, wollte initial nur ein paar Hochbeete auf dem Dach haben um etwas Obst und Gemüse selber zu ziehen, um die Nachbarschaft etwas zu versorgen. Er hat auch früh angefangen zu dem Zweck „Biomüll“ zu sammeln, der in der Oase kompostiert und zu Dünger gemacht wird. Mehr sage ich dazu mal nicht …

Inzwischen liefert die Oase Obst und Gemüse regelmässig in der Nachbarschaft aus, natürlich bevorzugt ja jene, die der Oase irgendwie helfen, aber auch an jene, denen sonst niemand hilft. Die Lebensmittel sind – so nah an Downtown keine Überraschung – von wechselnder Qualität, aber immerhin ist es echtes Gemüse und kein Sojakack aus der Fabrik. Schon ein, zwei Quartiere weiter südlich gibt’s Kids, die haben noch nie in ihrem Leben eine Möhre oder einen Apfel gesehen.

R’Urgrimm ist ein Schrank von einem Ork. Echt. Der vielleicht grösste Ork, dem ich je begenet bin. Also vielleicht nicht der grösste, aber der kräftigste ganz sicher. Aus mir völlig unverständlichen Gründen ist er aber auch in einem solchen Ausmaß herzensgut, dass es schon fast surreal ist. Vielleicht hängt das auch einfach zusammen. Seine Präsenz ist so einschüternd, dass sie selbst ein eisenharter Troll-Söldner dreimal überlegen würde, sich mit ihm anzulegen. R’Ugrimm ist in seinem Viertel tiefe verwurztelt und geniesst grössten Respekt in den Strassen. Das liegt weniger an seiner Statur, als mehr daran, dass die Oase schon seit einer ganzen Weile eine Suppenküche betreibt und es dort auch immer einen Platz zum Poofen gibt, falls man mal nicht nach Hause kann. Ausserdem hat er so eine Art, die es den Leuten einfach macht ihm ihr Herz auszuschütten. Und die Tee-Zeremonien, die wöchentlich stattfinden, sind legendär, um es mal vorsichtig auszudrücken.

Gleichzeitig ist es aber auch ein unausgesprochenes Geheimnis, dass die Oase einen Teil der Seattler Antifa beherrbergt, und R’Ugrimm selbst ist ein glühender Gegner der Humanis Policlubs und Allgemeinen und der Arctic Nation im Besonderen, mit denen er scheinbar eine persönliche Fehde hat.

Und dann … dann gibt es noch den grossen Clue der Oase: Irgendwann in den 70ern hat dort, irgendein Irrer angefangen, Kaffee im Treibhaus anzubauen. Und das in Seattle! Echter Kaffee aus Seattle. Lange Zeit hat die Ernte kaum für mehr als ein paar Tassen innerhalb der Oase selber gereicht, aber inzwischen ist die Produktion doch soweit gestiegen, dass das eine oder andere Pfund verkauft werden kann und R’Ugrimm hat sogar eine Röstmaschine aufgetrieben und jemanden, der weiss, wie man die richtig bedient. Der Kaffee aus der Oase wird in in bestimmten, sehr lokalpratiotischen und linken Kreisen der High Society von mit Gold aufgewogen. Echt jetzt. Mit richtigem Gold! Seither konnte sich die Oase ein paar Extras für die Bewässerung leisten, und Bio-Kisten-Service, Suppenküche und die berüchtigten Tee-Zeremonie-Abende werden darüber wohl auch querfinanziert.

Es spricht nur für die Grösse von R’Ugrimm, dass er nicht einfach die ganze Kohle nimmt und sich irgendwo im Salish-Shidhe zur Ruhe setzt.


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